Kommen Sie zur Sache, Vortragender! – So geht das.

Ich habe das unglaubliche Privileg, dass ich praktisch auf jedem bewohnbaren Erdteil vor Auditorien jeder Größenordnung sprechen durfte. Meine letzte Keynote in Brasilien zog 8000 Leute an; die Halle war so riesig, dass ich von der Bühne aus das andere Ende nicht sehen konnte!

Die Story muss 100-prozentig sitzen

In solchen Situationen will ich sicher sein, dass mein Selbstvertrauen die Oberhand über die Nervosität behält. Darum arbeite ich extrem hart an den Geschichten, die ich vermitteln will. Ich schneide sie wirklich extra auf jedes neue Publikum zu, mache jede Folie selbst, und jeder Gedanke ist von mir. Nur wenn ich so gründlich vorbereitet bin, habe ich – auch unterbewusst – die Gewissheit, dass es richtig, richtig gut wird.

Ich habe immer wieder mit neuen Techniken experimentiert und meinen Ansatz über Hunderte von Vorträgen hinweg nachjustiert. Das Ergebnis ist ein Set von State of the Art Regeln für effektives Storytelling. Sie sind universell einsetzbar und sehr vielseitig; ich habe mir gedacht, ich teile sie mit Ihnen, zur Unterstützung für Ihr eigenes fesselndes Storytelling.

5 bewährte Empfehlungen für Ihre Präsentation

Die folgenden Empfehlungen klingen auf den ersten Blick teils selbstverständlich. Tatsachlich scheitern aber nicht wenige Vorträge mindestens an der Umsetzung im Detail – oder gleich komplett. Wenn Ihnen einzelne Punkte bekannt vorkommen – nehmen Sie sie einfach als Checkliste mit.

1. Erzählen Sie den Leuten nichts, was sie schon wissen

Viele Vortragende verplempern 20–40 Prozent ihrer Zeit damit, selbstverständliche Fakten und allgemein bekannte Kennzahlen ihrer Branche wiederzukäuen, dabei die eigene Firma zu pimpen usw. usw. Wenn Sie eine Präsentation 14 Minuten lang einleiten mit „Bedeutung von Tags“ oder „Digitale Transformation“ oder „Warum Messdaten entscheidend sind“, dann verlieren Sie Ihr Publikum, bevor Sie überhaupt den ersten relevanten Satz gesagt haben.
Warum Vortragende das so oft machen? Die lahme Rechtfertigung ist meist: „Ich möchte alle im Publikum einbeziehen, um sicherzustellen, dass wir alle auf demselben Stand sind.“ Das einzig sichere Ergebnis dieses Ansatzes ist aber: Sie werden scheitern.
Denn: In jedem Publikum gibt es 20 Prozent Leute, die mit dem Thema nicht vertraut sind oder im falschen Raum sitzen. Die haben zwar eventuell wirklich etwas von Ihren selbstverständlichen Fakten. Das Problem ist aber, dass Sie inzwischen die restlichen 80 Prozent verloren haben – nämlich die, auf die es angekommen wäre, die aus Ihrem Vortrag Handlungskonsequenzen gezogen hätten. Fokussieren Sie sich auf die 80 Prozent, lassen Sie die Selbstverständlichkeiten weg und kommen Sie so schnell wie möglich zum Kern der Sache.
Es ist nicht Ihr Job zu informieren; Ihr Job ist es, dass die Leute zum Handeln inspiriert werden!

2. Reden Sie nur über das, was Sie wirklich wissen

Es gibt Präsentationen, wo Sie als Vordenker gefragt sind. An anderer Stelle sollen Sie sich in den nächsten Konferenzraum schleppen, um zum 90. Mal über Cloud-Services oder Drucker-Toner zu sprechen. Egal!
Was immer es sei – bringen Sie wirklich nur das, was Sie echt wissen. Menschen riechen Hochstapelei auf eine Meile Entfernung – sie verlassen vielleicht nicht gleich den Saal, wenn Sie anfangen, die Erkenntnisse von jemand anderem zu präsentieren. Aber Sie können sicher sein: Sie „haben“ sie nicht mehr; die Leute schielen auf ihre Handys und wischen auf Tinder nach links oder rechts.
Ihr Publikum merkt genauso, wann Ihre Präsentation von ein paar kleinen Assistenten zusammengebaut wurde. Ihr verdächtig oberflächliches Wissen verrät, dass das nicht auf Ihrem Mist gewachsen ist. Sobald Sie aber wirklich alles über diese Drucker-Toner wissen, kommen Sie ganz von selbst zuversichtlich, engagiert und leidenschaftlich rüber, wenn Sie Ihre Ideen in die Runde werfen werfen oder zum Handeln anfeuern. Das ist es, was Sie zu einem überzeugenden Redner macht, an den man sich erinnert.
Denken Sie daran: Wenn Ihre Präsentation Sie selbst langweilt, dann langweilt sie auch Ihr Publikum.

3. Das Raster „Care – Do – Impact“: Erzählen Sie komplette Geschichten

  • Warum soll mich das interessieren? (Care)
  • Was soll ich tun? (Do)
  • Wenn ich das mache, was springt dabei für mein Geschäft heraus? (Impact)

Viele Vortragende treten vor ihr Publikum und sagen denen platt, was sie tun sollen. Meist bezieht sich das darauf, was ihr Unternehmen verkauft. Sie breiten die ganze Palette der Verkaufsargumente aus (getarnt hinter Pseudo-Ideen!), und dann warten sie darauf, dass es Geld regnet. Das wird nichts.

Bevor Sie also verkünden, was zu tun ist, beweisen Sie erstmal Ihr Einfühlungsvermögen und Ihr Fachwissen – indem Sie aufzeigen, warum ihr Publikum sich überhaupt um das Thema kümmern sollte. Sagen Sie, was das Problem ist. Beziffern Sie das ganze Ausmaß negativer Folgen ebenso wie die Palette sich bietender Chancen. Die Leute werden aufhorchen und begreifen, dass Sie sich wirklich Zeit genommen haben, um die ganz spezifische Situation ihrer Branche richtig zu verstehen.

Wenn Sie daraufhin die Richtung für Handlungsoptionen aufzeigen, dann werden Sie konkret! Also z. B.: Implementieren Sie soundso viele Tags mit diesen Parametern in einem Zeitrahmen von X. In NRW und Niedersachsen konzentrieren sich die Altersgruppen A und B auf die Ergebnisse X und Y.

Anschließend müssen Sie es schaffen, das Gefühl einer gewissen Dringlichkeit bezüglich der geschäftlichen Auswirkungen zu wecken. Das ist mitunter schwierig, denn Sie müssen Ihre eigenen Ideen getestet haben, die Geschäftsdynamiken Ihres Publikums kennen und dann Vorhersagemodelle einsetzen. – Aber wenn Sie das alles tun, gewinnen Sie das Vertrauen Ihrer Zuhörer und motivieren sie zum Handeln. Etwa so:

Ihre Website generiert 14 Millionen Verluste bei den Medienausgaben, weil die Absprungrate bei 62 % liegt. Unsere Personalisierungs-Engine stellt sicher, dass Ihre Display-Anzeigen tatsächlich vom Kundenverhalten in den letzten 90 Tagen bestimmt sind  UND dass die Landing Page entsprechend angepasst wird. Schon dadurch verringern sich die Verluste um 7 Millionen und die Konversionsrate erhöht sich so, dass zusätzliche 10 Millionen an Umsätzen entstehen. BUMM!

So, sind jetzt in Ihrer Präsentation zur Cloud-Automatisierung oder zu Drucker-Tonern alle drei Aspekte – Care, Do und Impact – enthalten?

4. Seien Sie nicht inhaltsleer

90 % der tatsächlich gescheiterten Präsentationen und 99,99 % der Präsentationen, die keinen überzeugt haben, waren einfach inhaltsleer: Was aus dem Mund des Vortragenden kam, was auf Folien, Flipcharts und Whiteboards erschien, war weitgehend bedeutungslos. Das ist der schnellste Weg, um beim Publikum jede Achtung zu verlieren – bis hin zu den Leuten von der Veranstaltungstechnik.

Sie glauben, Sie können durchaus minutenlang Blech reden, ohne dass es jemand merkt? Manchmal kommen Sie damit vielleicht durch. Aber nie kommt dabei etwas heraus. „Content-free“ zu sprechen kann allerdings auf tragische Weise belustigend sein, und das ist kein Privileg kleiner Handelsvertreter. In einem ausführlicheren Beitrag über Content-free sehen Sie unter anderem ein 3-minütiges Video mit einer Spitzenleistung in inhaltsleerer Promotion: von den CEOs von Microsoft und Publicis.

Zum Schluss: Definieren Sie Ziele!

Selbst bei nur einer oder zwei Handlungsideen, egal wie einfach oder überzeugend die sind: Die Leute müssen eine Hürde überwinden, um herauszufinden, wie sie die Ideen umsetzen können, wann sie anfangen sollten und woran sie merken, dass die Sache Erfolg hat.

Wenn Sie nach meinem Präsentationsmodell „Care – Do – Impact“ vorgehen, dann fassen Sie am Schluss die nötigen Aktionen (Do!) zusammen. Das gibt dem Publikum umsetzbare Takeaways an die Hand.

Wenn die Do-Folie ein Ranking liefert und die Aktionen priorisiert, noch besser!

Wenn Sie einen draufsetzen wollen, geben Sie zusätzlich Zeitrahmen vor.

Sechs taktische Empfehlungen.

1. Bitte, bitte: Keine Stockfotos auf Ihren Folien!

Stockfotos werden immer falsch eingesetzt. Sie verstellen bei Präsentationen den Blick darauf, wie Ihre Ideen gemeint sind. Und Sie haben schon vorher viel Zeit damit vertan, das perfekte Foto aufzustöbern, statt Ihre eigentliche Botschaft kritisch zu durchleuchten. Das Ergebnis ist – Überraschung! – eine schöne Folie ohne Substanz.

Bilder lösen ja stets etwas aus; leider bei jedem Menschen etwas anderes. Das Foto erscheint – und die Leute hören augenblicklich auf, Ihnen zuzuhören, weil sie sich fragen, was die Enten, die in diesen Teich da laufen, mit der Umsatzattribution zu tun haben.

Das Schöne an Ihrer Präsentation sind (hoffentlich) Ihre Ideen. Präsentieren Sie die ungeschminkt, so wie sie sind. Es wird überzeugender sein.

2. Schreiben Sie Ihre Folien nicht voll!

Alle kennen das: Vollgepackte Folien nerven bei jeder Präsentation. Als Handouts können sie aber durchaus nützlich sein. Hier zwei kleine, effektive Tipps zur Minimierung von Blabla:  Höchstens so etwas wie ein früherer Tweet (140 Zeichen) pro Folie – wenn es mehr ist, gnadenlos redigieren und kürzen. Und nie, nie, nie soll auf den Folien das stehen, was Sie mündlich vortragen.

3. Kaufen Sie eine ordentliche Fernbedienung!

Ich benutze z. B. den Logitech Presenter. Er ist etwas teurer, aber seine Einfachheit, lange Reichweite und pfiffige Ästhetik lohnen sich. Denn wie effektiv Sie präsentieren, hängt stark davon ab, wie komfortabel der Umgang mit den Folien für Sie ist.

Die besten Geschichtenerzähler erwecken Bilder im Kopf statt die Leute zuzuschütten. Das erfordert aber intelligente und eingängige Visualisierungen. Eine Fernbedienung muss dafür sorgen, dass Sie das entspannt und effizient hinkriegen – was sich übrigens auch positiv auf Ihre Körpersprache und Überzeugungskraft auswirkt.

4. Stehen Sie nicht herum!

Die ganze Zeit dastehen ist unnatürlich. Gehen Sie. Stellen Sie Augenkontakt her. Zeigen Sie auf Leute. Stellen Sie sich vor jemanden hin, sehen Sie der Person in die Augen und konzentrieren Sie sich nur auf sie – ignorieren Sie die anderen zweitausend. Sie werden staunen, wie besonders sich nicht nur diese Person fühlt, sondern alle im Raum.

Ihre Geschichte wird persönlich, wenn Sie sie persönlich machen. Das ist der ganze Zauber.

5. Behalten Sie die Leute mit ihren Handys im Auge!

Während ich meine Geschichte erzähle, schnappe ich laufend die Stimmung im Raum auf: Sind die Leute beteiligt, lächeln sie, sitzen sie aufrecht… Ich registriere auch, wie viele an ihrem Handy oder Laptop hängen: Ab etwa einem Drittel würde ich darauf wetten, dass etwas falsch läuft. Wenn Sie so etwas merken, tun Sie sofort etwas daran!

Ändern Sie Ihre Vortragsweise, springen Sie zum nächsten Abschnitt, sprechen Sie lauter (oder leiser), erhöhen Sie das Tempo, sagen Sie etwas Provokatives, hören Sie auf zu reden… Jedenfalls, tun Sie etwas. Ich möchte ungeteilte Aufmerksamkeit. Wenn die Leute auf ihren Bildschirm starren, verliere ich sie – auch wenn sie meine Keynote auf Twitter loben. Sie sollen einfach bloß zuhören.

Übrigens: Auch wenn irgendwann zusammenhanglose, irrelevante Fragen aufkommen, ist das ein Zeichen, dass Sie das Publikum verlieren. Ändern Sie den Kurs.

6. Sagen Sie nie, Sie kürzen das jetzt ab – machen Sie’s einfach!

Sobald Sie gestehen, dass Sie etwas weglassen oder Folien überspringen, riecht Ihr Versuch, schneller fertig zu werden, nach Kontrollverlust und Schwäche.

Wenn Sie Folien überspringen müssen, um die Zeit einzuhalten, sprechen Sie einfach weiter; stellen Sie nur kurz den Zusammenhang her. Das muss gar nicht wie eine Lücke wirken – Ihre ursprüngliche Präsentation kennen ja nur Sie. Genauso wenig brauchen Sie es zu breitzutreten, wenn Sie wegen offenkundiger Langeweile eine Passage straffen. Springen Sie einfach weiter.

Fazit: Wenn Sie vor einem Fachpublikum stehen und die Leute überzeugen wollen, die Welt so zu sehen wie Sie, ist das mitunter herausfordernd und beängstigend. Aber Sie haben damit die seltene Chance, dass sich eine große Gruppe von Menschen mit Ihren Ideen auseinandersetzt – im Sinne der eigenen Ziele, aber auch Ihrer Ziele. Wenn Sie das richtig anstellen, werden Sie es als ungemein bereichernd erleben. Aus diesem Grund mache ich das auch, obwohl ich deshalb immer schlecht schlafe.

Ich leide nach wie vor unter einem Hochstapler-Syndrom. Und meine Nerven spielen immer noch jedes Mal verrückt, wenn ich auf die Bühne gehe. Aber kaum etwas könnte sich mehr lohnen. Und es würde mich sehr freuen, wenn Sie diese Begeisterung für überzeugendes Storytelling teilen.

Avinash

Ins Deutsche übertragen mit freundlicher Erlaubnis von Avinash Kaushik, verbunden mit der Empfehlung zur Anmeldung zu Occam’s Razor, Kaushiks Marketing-Newsletter

 

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